Warum es mir manchmal peinlich ist, Osteo zu sein

183:887437853 • Jan. 10, 2024

Manchmal möchte ich keine Pferde-Osteopathin mehr sein.


Lebenssinn-Krise? 


Nein eher das Gegenteil. 


In diesem Artikel erfährst du was mich wirklich manchmal daran nervt, „nur“ als Pferde-Osteopathin wahrgenommen zu werden. 


Obwohl ich es bin und dass mein Kindheitstraum war und ist.


Ich erzähle dir innerhalb einer persönlichen Geschichte, wie ich das meine.


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Die Wurzel der Schmerzen und Probleme langfristig

behandeln

Wenn du zum Physio gehst...


Gehst du dann 1x im Jahr zu Check Up oder gehst du regelmäßig so lange hin, bis die Probleme gelöst sind? 


Und ist die Therapie effektiver, wenn du „nur“ deblockierst und massiert wird oder ist es dann besonders effektiv, wenn die Wurzel deiner Schmerzen und Probleme langfristig behandelt wird, du Hausaufgaben bekommst, (diese auch umsetzt) und du neue Bewegungsmuster / Übungen in deinem Alltag integrierst? 


Und ohne Witz, darüber haben wir jungen Osteos uns schon in der Ausbildung Gedanken gemacht.. weil wir damals schon wussten, was in den Ställen so „üblich“ war. 

Die Osteo kommt regelmäßig hieß meistens so 1-2x im Jahr und nicht wie in der Humanbehandlung üblich 1-2x die Woche. 


Das ist eine rhetorische Frage, um dich ein bisschen in mein Hirn und meine Gedankengänge mitzunehmen. 


Es ist doch so, wenn ich zu einem wirklich gut dastehenden Pferd komme, welches Tragkräftig ist, regemäßig abwechslungsreiches Training hat, gut gehalten und gefüttert wird und wo Frauchen regelmäßig selbst Hand anlegt und ihr Pferd mit Wellnessmassagen unterstützt.


Dann komme ich sehr gerne nur alle 6 Monate und mache einen CheckUp – Schaue, ob alles an seinem Platz ist, ob irgendwo kleinere Wehwehchen sind oder welche Energetische Behandlungsform oder Technik das Pferd noch besser einstellt, damit es sich wirklich rundum pudelwohl fühlt. 

Diese Art von Behandlung ist bei Neukunden etwa zu 10% anzutreffen. (Aber es kommt vor, ich habe es erst letztes Wochenende wieder erlebt)


Meistens sieht es doch eher so aus: 


Ich komme das erste Mal zu einem Pferd. 

Ich erkenne eine Trageschwäche oder Erschöpfung und muss dem Besitzer beibringen, dass wir jetzt erstmal zusammen an der Basis arbeiten müssen, damit das Pferd auf soliden Füßen steht und Kollateral-Schäden vermieden werden. 

Dann muss ich dem armen Pferdehalter auch noch beibringen, dass es nicht mit einer Behandlung alle paar Monate getan ist, sondern, dass wir uns die nächsten 4-6 Monate sehr regelmäßig sehen müssen, bis sein Pferd Tragfähig ist und er es wieder als Reittier nutzen kann. 


Mir ist bewusst, dass ich anders behandel, als die anderen

Ich behandle das Pferd und dann beginnt die Irritation des Besitzers, weil ich in diesem Fall nicht wie von herkömmlichen Osteos gewohnt, ausschließlich um das stehende Pferd herumtanze und mal hier mal dort die Hand auflege, sondern weil ich, nachdem ich das gröbste Beseitigt habe den Tanz um das stehende Pferd abschließe und in Bewegung gehe. 


Hier beginnt die leider noch sehr unbekannte und wenig verbreitete Therapie in Bewegung und die Umstellung der Bewegungsmuster


Innerhalb dieser Therapie in Bewegung muss dann der Besitzer selbst tätig werden, damit diese Bewegungstherapie in den nächsten Wochen vom Pferdemenschen selbstständig und am Besten täglich weiter fortgeführt werden kann. 


Auch damit das ganze Bezahlbar bleibt, muss ich den Pferdemenschen in die Therapie einbinden und ihn schulen, sodass er es selbst machen kann und mich nicht dafür braucht. So bekommt das Pferd mindestens 3x die Woche was es braucht und der Pferdehalter ist hinterher nicht bettelarm. 


Auf die Therapie, die der Pferdebesitzer dann selbst weitergeführt hat, bauen wir dann beim nächsten Termin auf und machen mit der Änderung der Bewegungsmuster im Pferd weiter. Das ist ein Prozess, den ich nur mit dem Pferdemenschen zusammen gehen kann, der sein Pferd täglich sieht. Zieht der nicht mit, bin ich verloren. 


Trotzdem möchte ich nicht mehr anders arbeiten. Mir ist bewusst, dass ich es anders mache, als die anderen. Und mir ist auch bewusst, dass die Pferdeleute lieber hören: „alles tutti, wir sehen uns in 6 Monaten oder wenn das Pferd wieder schief ist“ 


als: 


„ich erkenne eine Trageschwäche, dein Pferd ist so nicht tragfähig. Wir müssen dieses Problem an der Wurzel packen und therapieren. Das dauert so 3 - 6 Monate und wir werden uns in dieser Zeit öfter sehen müssen. Und erst dann solltest du wieder reiten“


Warum wird nicht über Trageerschöpfung / Trageschwäche gesprochen?

Das muss sich für meine armen Kunden anfühlen, als würde ich in mit meinem Auto in die Werkstatt fahren und logischerweise erwarten, dass der Werkstattmensch mein Auto repariert und mir dann heile wieder gibt, damit ich es nutzen kann wie bisher – aber das passiert einfach nicht.


Der Werkstattmensch erklärt mir, stattdessen, dass er mir gerne die Kupplung noch ein drittes Mal repariert, aber es sinnvoller wäre, wenn ich erstmal wieder ein halbes Jahr in Fahrstunden investiere, damit ich lerne, nicht mit 6000 Umdrehungen anzufahren. Denn das Problem der ständig geschmolzenen Kupplung liegt in diesem Fall nicht an der Kupplung, sondern daran, dass ich einfach keine Ahnung habe, wie man Autofährt. Und deswegen braucht er meine Unterstützung bei der Reparatur des Autos: Ich soll lernen, wie man richtig fährt damit es nicht immer wieder kaputt geht. 

Und ich dachte doch – ich fahre zur Werkstatt, lass den Werkstattmenschen seine Magie machen und kann dann in Ruhe wieder meine OKF´s machen wie bisher… Das wäre so schön einfach gewesen. Teuer ja. Aber auch einfach.


(Vielleicht kennst du den Clip mit dem niedlichen Opa in der Autowerkstatt, der immer seine Kupplung brutzelt, weil er die Drehzahl des Motors nicht mehr wahrnehmen kann)



Dieser Satz „ich erkenne eine Trageschwäche, dein Pferd ist so nicht tragfähig. Wir müssen dieses Problem an der Wurzel packen und therapieren. Das dauert so 3-6 Monate und wir werden uns in dieser Zeit öfter sehen müssen. Und erst dann solltest du wieder reiten“ fällt mir insbesondere dann schwer, wenn ich weiß, das Pferd wurde zuvor schon lange von KollegInnen betreut wird und diese haben nie ein Wort über Trageschwäche / Trageerschöpfung verloren. 


Und ich weiß nicht warum! Sehen sie es nicht? Sehen sie es oder kennen die Lösung nicht und empfehlen dann das übliche wie Stangentraining und Equikinetik oder ganz schlimm Longe? Obwohl sie doch aufgrund ihrer Erfahrung längst wissen müssen, dass das bei diesem Pferd nicht zum Erfolg führt?


Ich verstehe es nicht. Und ich muss ehrlich sagen, dass mir langsam die Ideen ausgehen, woran es liegt (Wenn du auch Gedanken dazu hast, und selbst vielleicht Therapeutin bist, teile doch mal deine Ideen dazu auf Social Media und verlinke mich).


Und mich macht dieses Thema deswegen so emotional, weil ich das immer wieder erlebe. Und das ist auch das, was ich oft in Kommentaren zu meinem Content lese. Wirklich oft. 


Kommen wir nun zu der persönlichen Geschichte, die ich am Anfang des Artikels erwähnt habe:


Eine potenzielle Kundin schreibt mich an – sie möchte einen Termin mit mir, weil ihr Pferd immer so komisch steht. 

Sie schickt mir ein Foto ihres Pferdes. Das (gesattelte) Pferd hat so massive Anzeichen einer Trageerschöpfung, dass ich dir Rückenlinie gar nicht sehen muss. 

Das Pferd ist jung. Und ich sehe schon auf dem Foto wie der Fesselträger motzt - ja ich weißt Momentaufnahme und so – deswegen auf meine Rückfrage, ob das Foto repräsentativ ist, für die Art und Weise, wie sich das Pferd die meiste Zeit des Tages hinstellt. Ja, das wäre so der „übliche“ Stand. 


Die Lage ist meiner Meinung nach ernst. Die Kundin braucht Aufklärung, das Pferd zeitnah Hilfe. So viel steht fest. 


Ich schaffe es aber nicht sie schnell in meinem Kalender unterzubringen und rate ihr sich bei einer Kollegin einen Termin zu holen, damit sie das Pferd behandelt und ihm schonmal hilft, die schlimmsten Kompensationen aufzugeben. Sie solle sich danach dann melden, berichten was die Kollegin gesagt hat, und dann würden wir schauen, ob wir noch zusammenarbeiten oder sie mit der Kollegin weiter machen möchte (Was mich wirklich stört, mein Kalender ist voll). 


Genau so ist es auch passiert. Die Kollegin war da und hat dem Pferd geholfen, sodass es wieder deutlich besser dasteht und nicht mehr so schlimme Schmerzen hat. 


Auf meine Nachfrage wie jetzt weiter verfahren werden soll, sagte sie, die Kollegin hätte gesagt es wäre jetzt erstmal wieder alles ok und sie sollte sich in einem halben Jahr wieder melden oder wenn das Pferd wieder schiefläuft. 


Kein Wort davon, dass der Thorax in den Kniekehlen hängt. Kein Wort davon, dass das Pferd in seinen sehr jungen Jahren auf eine massive und nicht mehr reversible Trageerschöpfung hinarbeitet, wenn nichts am Training geändert wird. 

Kein Wort davon, wie dieser „komische Stand“ entstanden ist und warum das mit dem nach unten ziehendem Brustkorb und seinen viel zu schwachen Rumpfträgern zusammenhängt. 


Und in diesem Fall frage ich mich wirklich: Warum? Warum melden, wenn das Pferd schiefläuft? Meine Güte, die Schiefe ist hier wirklich nicht das Problem. 


Die Kompensationen über das falsche Tragen sind das, was dem Pferd auf lange Sicht das Genick bricht, nicht dass das Becken ein bisschen schief ist. 

Um solche Sachen kannst du dich kümmern, wenn die Basis stimmt. Ansonsten ist das Perlen vor die Säue.

Was nützt dem Pferd ein gerades Becken, wenn die Fesselträger bei jedem Schritt aufjauchzen? Ok, zugegeben, dann sind es wenigstens beide Fesselträger gleichmäßig.


Ich stelle das jetzt alles etwas überspitzt dar, weil mich das Thema etwas emotional macht. 


➡ Ruhig brauner, natürlich weiß ich, dass ein deblockiertes Becken wichtig für alles andere ist – das will ich hier auch gar nicht als unwichtig darstellen, aber „nur“ das Becken zu richten und dann eine Kundin auf einem Trageerschöpftem Pferd weiter reiten lassen, damit man ein halbes Jahr später wieder etwas „begradigen“ kann, ist meiner bescheidenen Meinung nach wirklich nicht der Stein der Weisen. 


Ein Seminar für Pferdeprofis

Also: Selbstverständlich ist es wichtig erstmal die schlimmsten Blockaden und Schmerzen zu behandeln. 


Ob in Bewegung im Stand ist mir dabei sogar egal. Jeder Therapeut hat seine Techniken und alle Techniken sind gut solange sie zum Erfolg führen. 


Erstmal die „Kuh vom Eis“ zu holen ist immer Schritt 1. Aber ich finde, es sollte dringend mehr von Schritt 2-6 geben: 


✅ Herstellen von Koordinativen Bewegungsmustern und einem guten Körpergefühl


✅ Die Möglichkeit bestimmte Muskelgruppen auf Signal anzusprechen


✅ Herausarbeiten von sinnvollen Bewegungsmustern, die das Pferd zum Tragen braucht


✅ Herstellen vorm Rumpf-Trage-Kompetenz (!!!) und Tragfähigkeit


✅ Aufbau von Tragkraft


Was glaubst du, warum hat mein Tragekurs für Freizeitpferde wohl 6 Module? ??


Ich verstehe, wenn Kollegen keine Kapazität oder Kompetenz haben die Kunden bei diesen Schritten zu begleiten, denn das ist nicht Teil der üblichen Osteo-Ausbildung (zumindest nicht in der Form wie ich es verstehe, dort wird im Grunde größtenteils mit Standard-Empfehlungen gearbeitet). 


Aber dann verweist doch wenigstens an Leute wie mich, die es sich ganz gezielt zur Aufgabe gemacht haben, da anzuschließen wo die Behandlung aufhört. Wir arbeiten gerne mit Kollegen zusammen. Das beschleunigt den Prozess ungemein. 


Aber sagt nicht zu einer Kundin mit einem trageschwachen Pferd: „Alles gut, wir sehen uns in 6 Monaten.“

Und weil es nichts bringt sich nur darüber aufzuregen, dass alles nicht optimal läuft, ohne etwas dafür zu tun, dass es besser wird, habe ich mir was überlegt:


Am 30.4.2024 werde ich ein Seminar für Pferdeprofis geben, in dem sie lernen sollen, das zu sehen. 


Egal ob Hufpfleger, Sattler, Osteo, Physio, Futterberater, Reitlehrer oder Bodenarbeitstrainer… Damit die Kunden aufgeklärt und die Pferde aus dem Teufelskreis raus geholt werden. 


Falls du daran Interesse hast, komm auf meinen Newsletter, damit du die Anmeldemöglichkeit dafür nicht verpasst: www.antjewirtz.de


Durch die Checkliste Tragfähigkeit bekommst du schon einen ersten Einblick. 


Wir werden uns im Seminar aber auch ganz genau die Bewegungsabläufe anschauen, die ein Pferd drauf haben muss, um in die Kategorie „Tragfähig“ zu fallen.

Vielleicht sehen wir uns dann?


Interesse am Seminar?

Komm auf meinen Newsletter:

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