Das muss sich für meine armen Kunden anfühlen, als würde ich in mit meinem Auto in die Werkstatt fahren und logischerweise erwarten, dass der Werkstattmensch mein Auto repariert und mir dann heile wieder gibt, damit ich es nutzen kann wie bisher – aber das passiert einfach nicht.
Der Werkstattmensch erklärt mir, stattdessen, dass er mir gerne die Kupplung noch ein drittes Mal repariert, aber es sinnvoller wäre, wenn ich erstmal wieder ein halbes Jahr in Fahrstunden investiere, damit ich lerne, nicht mit 6000 Umdrehungen anzufahren. Denn das Problem der ständig geschmolzenen Kupplung liegt in diesem Fall nicht an der Kupplung, sondern daran, dass ich einfach keine Ahnung habe, wie man Autofährt. Und deswegen braucht er meine Unterstützung bei der Reparatur des Autos: Ich soll lernen, wie man richtig fährt damit es nicht immer wieder kaputt geht.
Und ich dachte doch – ich fahre zur Werkstatt, lass den Werkstattmenschen seine Magie machen und kann dann in Ruhe wieder meine OKF´s machen wie bisher… Das wäre so schön einfach gewesen. Teuer ja. Aber auch einfach.
(Vielleicht kennst du den Clip mit dem niedlichen Opa in der Autowerkstatt, der immer seine Kupplung brutzelt, weil er die Drehzahl des Motors nicht mehr wahrnehmen kann)
Dieser Satz „ich erkenne eine Trageschwäche, dein Pferd ist so nicht tragfähig. Wir müssen dieses Problem an der Wurzel packen und therapieren. Das dauert so 3-6 Monate
und wir werden uns in dieser Zeit öfter sehen müssen. Und erst dann solltest du wieder reiten“ fällt mir insbesondere dann schwer, wenn ich weiß, das Pferd wurde zuvor schon lange von KollegInnen betreut wird und diese haben nie ein Wort über Trageschwäche / Trageerschöpfung
verloren.
➡ Und ich weiß nicht warum! Sehen sie es nicht?
Sehen sie es oder kennen die Lösung nicht und empfehlen dann das übliche wie Stangentraining und Equikinetik oder ganz schlimm Longe? Obwohl sie doch aufgrund ihrer Erfahrung längst wissen müssen, dass das bei diesem Pferd nicht zum Erfolg führt?
Ich verstehe es nicht. Und ich muss ehrlich sagen, dass mir langsam die Ideen ausgehen, woran es liegt (Wenn du auch Gedanken dazu hast, und selbst vielleicht Therapeutin bist, teile doch mal deine Ideen dazu auf Social Media und verlinke mich).
Und mich macht dieses Thema deswegen so emotional, weil ich das immer wieder erlebe. Und das ist auch das, was ich oft in Kommentaren zu meinem Content lese. Wirklich oft.
Kommen wir nun zu der persönlichen Geschichte, die ich am Anfang des Artikels erwähnt habe:
Eine potenzielle Kundin schreibt mich an – sie möchte einen Termin mit mir, weil ihr Pferd immer so komisch steht.
Sie schickt mir ein Foto ihres Pferdes. Das (gesattelte) Pferd hat so massive Anzeichen einer Trageerschöpfung, dass ich dir Rückenlinie gar nicht sehen muss.
Das Pferd ist jung. Und ich sehe schon auf dem Foto wie der Fesselträger motzt - ja ich weißt Momentaufnahme und so – deswegen auf meine Rückfrage, ob das Foto repräsentativ ist, für die Art und Weise, wie sich das Pferd die meiste Zeit des Tages hinstellt. Ja, das wäre so der „übliche“ Stand.
Die Lage ist meiner Meinung nach ernst. Die Kundin braucht Aufklärung, das Pferd zeitnah Hilfe. So viel steht fest.
Ich schaffe es aber nicht sie schnell in meinem Kalender unterzubringen und rate ihr sich bei einer Kollegin einen Termin zu holen, damit sie das Pferd behandelt und ihm schonmal hilft, die schlimmsten Kompensationen aufzugeben. Sie solle sich danach dann melden, berichten was die Kollegin gesagt hat, und dann würden wir schauen, ob wir noch zusammenarbeiten oder sie mit der Kollegin weiter machen möchte (Was mich wirklich stört, mein Kalender ist voll).
Genau so ist es auch passiert. Die Kollegin war da und hat dem Pferd geholfen, sodass es wieder deutlich besser dasteht und nicht mehr so schlimme Schmerzen hat.
Auf meine Nachfrage wie jetzt weiter verfahren werden soll, sagte sie, die Kollegin hätte gesagt es wäre jetzt erstmal wieder alles ok und sie sollte sich in einem halben Jahr wieder melden oder wenn das Pferd wieder schiefläuft.
Kein Wort davon, dass der Thorax in den Kniekehlen hängt. Kein Wort davon, dass das Pferd in seinen sehr jungen Jahren auf eine massive und nicht mehr reversible Trageerschöpfung hinarbeitet, wenn nichts am Training geändert wird.
Kein Wort davon, wie dieser „komische Stand“ entstanden ist und warum das mit dem nach unten ziehendem Brustkorb und seinen viel zu schwachen Rumpfträgern zusammenhängt.
Und in diesem Fall frage ich mich wirklich: Warum? Warum melden, wenn das Pferd schiefläuft? Meine Güte, die Schiefe ist hier wirklich nicht das Problem.
Die Kompensationen über das falsche Tragen sind das, was dem Pferd auf lange Sicht das Genick bricht, nicht dass das Becken ein bisschen schief ist.
Um solche Sachen kannst du dich kümmern, wenn die Basis stimmt. Ansonsten ist das Perlen vor die Säue.
Was nützt dem Pferd ein gerades Becken, wenn die Fesselträger bei jedem Schritt aufjauchzen? Ok, zugegeben, dann sind es wenigstens beide Fesselträger gleichmäßig.
Ich stelle das jetzt alles etwas überspitzt dar, weil mich das Thema etwas emotional macht.
➡ Ruhig brauner, natürlich weiß ich, dass ein deblockiertes Becken wichtig für alles andere ist – das will ich hier auch gar nicht als unwichtig darstellen, aber „nur“ das Becken zu richten und dann eine Kundin auf einem Trageerschöpftem Pferd weiter reiten
lassen, damit man ein halbes Jahr später wieder etwas „begradigen“ kann, ist meiner bescheidenen Meinung nach wirklich nicht der Stein der Weisen.