In diesem Beitrag geht es um „zu schwere Reiter“.

Wenn dich das Thema beschäftigt und du wissen willst wie du herausfinden kannst, ob du zu schwer für dein Pferd sein könntest, ist diese Episode Gold Wert. 

Das war so mein erster Gedanke, als ich beschlossen habe, diesen Artikel zu schreiben. Denn natürlich möchte ich kein Bodyshaming betreiben. Ich bin selbst keine Grazie und weiß, wie schwer es ist, wenn man mit dem eigenen Gewicht zu kämpfen hat. 

Und an dieser Stelle möchte gesagt sein, ich möchte nur nicht keine dicken Menschen dissen, keine dünnen und auch keine „normalen“ (Was ist schon normal?)

Und für all diejenigen, die sich aufgrund ihres niedrigen BMI vermeintlich in Sicherheit wiegen: Es betrifft auch dich! Auch wenn du „nur“ 60kg auf die Waage bringst, ja und auch wenn es nur 45kg sind. Dieser Artikel ist auch für dich, wenn du keine extra Pfunde hast 😉 

Ihr seid hier ALLE willkommen. Und euch allen will ich meine Gedanken mit auf dem Weg geben. 

Und schon an dieser Stelle möchte ich mit von dem Wort „Übergewicht“ trennen und mich nur noch auf das „absolute Gewicht“, also die Biomasse beziehen. 

Denn ehrlich gesagt ist es mir erstmal herzlich egal, ob du ein paar Pfunde zu viel hast oder zu wenig. Letztendlich ist nur die Biomasse entscheidend, die dein Pferd zu tragen hat. 

Wichtig wäre, dass du eine einigermaßen solide Grundspannung auf dem Pferd hast, da natürlich unkontrolliertes Gewicht schwerer wiegt, als kontrolliertes. Zumindest in Bewegung. Das heißt ich setze für meine Gedanken voraus, dass du zumindest mal so auf dem Pferd sitzen kannst, dass du es nicht in seinen Bewegungen massiv störst oder behinderst. Darauf gehe ich in einem späteren Beispiel nochmal ein. 

Vielleicht kennst du die Formel 10-15% des Pferdegewichtes wäre ok. 

Also nehmen wir, weil es leicht zu rechnen ist ein 500kg Haflinger das wären dann bei 10% 50kg Biomasse. Die dieser Haflinger tragen dürfte. 

Ich halte diese Formel gelinde gesagt für vollkommenen bescheuert.

Warum? 

Weil das eigene Gewicht einfach gar nichts über die Kraft aussagt. 

Lass mich das an einem einfachen Beispiel erläutern:

Nehmen wir an, mein Mann und ich wären gleich schwer. 

Nun besteht die Biomasse meines Mannes aber größtenteils aus Muskeln, die er auch zu bedienen weiß. 

Ich hingegen bin mit etwas mehr Notreserven für schlechte Zeiten gesegnet und die paar Muskeln die ich habe, sind auch noch schlecht koordiniert und etwas schläfrig drauf. 

Wer von uns hätte wohl mehr Mühe einen 20kg Sack Hafer zu tragen?

Während mein Mann diesen Sack locker schultert und mich lächelnd fragt, wo der hinsoll, und ob er sich den Zweiten auch noch gleich unter den Arm klemmen soll, wäre ich ohne ihn längst verzweifelt auf der Suche nach der Sackkarre, die ich sicher gestern noch irgendwo habe stehen sehen. 

Verstehst du was ich meine? 

Übersetzen wir das Ganze in Pferde.

Wir haben ein Passgespann. Beide Pferde wiegen gleich viel. Und sehen auf ähnlich aus. 

Das eine Pferd wurde nur gefüttert, lieb gehabt und in der Box gehalten. Und hat jede Menge Speck unter seinem glänzenden Fellkleid. Seine rundliche Erscheinung trügt, denn hier lässt sich auch mit der Lupe keine zum Tragen nötige Muskulatur finden. Obwohl das Pferd rund aussieht und wohlgenährt dasteht. 

Das andere Pferd wurde trainiert, lebt artgerecht, habt viel Bewegung und hat sogar noch das KRAFTT-Konzept durchlaufen, hat die Bewegungskompetenz die es zum Tragen braucht und ist jetzt ein wandelndes kleines Kraftpaket. Seine Rundungen sind nicht nur Reserve, sondern auch starke, koordinative Muskulatur. 

Für Pferd 1 ist selbst der Sattel zu schwer. Es ist nicht tragfähig. EGAL ob der Reiter Über- oder Untergewichtig ist. Dieses Pferd ist sich selbst schon zu schwer. 

Und du ahnst nicht wie viele Pferde einfach nicht tragfähig sind. Und auch ihre leichten Reiterinnen besser (noch) nicht tragen sollten

Das Krafttpferd hingegen trägt sicher auch etwas mehr Biomasse spielend durch die Gegend und hat sogar noch Spaß dabei. 

Fazit:

Ein Pferd was nicht tragfähig ist und noch in seiner natürlichen Trageschwäche verharrt bzw. schon Trageerschöpft ist, kann gar nichts tragen. 

Egal wie schwer das Pferd selbst ist, egal wie leicht der Reiter. Gar nix. Punkt.

Und da sind wir wieder bei dem Punkt: 

Pferde sind keine Tragetiere und müssen das Tragen von Biomasse erst üben, bevor sie es schadensfrei können. 

Und das heißt, ein jedes Pferd sollte vor der Belastung mit Gewicht auf Tragfähigkeit getestet werden, und zwar zunächst mal ohne Reiter. Diese Tests können Bewegungsosteopathinnen wie ich an deinem Pferd durchführen. 

Erst wenn das gelingt, kann man die Tragfähigkeit zur Tragkraft ausbauen und das Pferd mit Reitergewicht belasten. Und dabei ist es wichtig, das Pferd während dieser Belastung immer wieder nachzufragen, ob die Rumpfträger aktiv sind und noch kraft haben oder eben nicht. 

Wenn das Pferd die Tests nicht mehr besteht, ist es an der Zeit abzusteigen und ein wenig zu laufen um dem Pferd und seiner Tragemuskulatur etwas Pause zu gehen. 

Und hier liegt der einzige Vorteil, den wenig Biomasse gegenüber viel Biomasse hat: 

Wahrscheinlich werden Pferde, die mehr Biomasse tragen müssen schneller erschöpft sein und man muss länger trainieren, bis man genau so lange reiten kann, wie die Stallkollegin, die nur die Hälfte auf die Waage bringt aber genauso gut reitet wie du. 

Du kannst also davon ausgehen, dass du als mehrgewichtiger Mensch also mehr laufen wirst, um dein Pferd so aufzubauen und so stark zu machen, dass es auch mit deinem Gewicht klar kommt. Als jemand der eben tatsächlich nur ein halber Hahn ist. 

Aber lasst euch an dieser Stelle nochmals gesagt sein: Auch leichte Reiter schaden ihrem Pferd, wenn es nicht tragfähig ist und trotzdem geritten wird. 

Wenn du es bis hier hin geschafft hast, und diesen Beitrag immernoch liest, lass dir gesagt sein, dass du wahrscheinlich komplett unabhängig von deinem Gewicht sehr daran interessiert bist, dass dein Pferd gesund ist. 

Und in diesem Fall möchte ich dich ermutigen den Pferd tragfähig zu machen, und es so stark zu machen, dass es dich tragen kann. Deine Körperform sollte dem nicht im Wege stehen! 

Mach den Tragekurs und lerne dein Pferd zu fragen, ob es mit deiner Biomasse klar kommt! 

Denn das ist einfach sooooo indivuduell. Und lass dir nix von irgendwelchen Uschis mit irgendwelchen Hanebüchenen mathematischen Formeln erklären dass du zu schwer oder zu leicht für dein Pferd bist. 

Dein Pferd gibt dir die Antwort ob du zu schwer bist oder nicht. Und es kann sein, dass es nach 5, 10, oder 20 Minuten sagt: Ab jetzt bis du mit zu schwer. Und das hat rein gar nichts mit deiner Figur zu tun, sondern mit der Tragkraft deines Pferdes. 

Zu guter letzt möchte ich an einem weiteren Beipsiel die Individualität von Gewicht im Reitsport verdeutlichen. 

Stell dir vor, ich habe ein Pferd: Tragfähig, kräftig. Reitbar, Gesund. (Was für eine abgefahrene Vorstellung)

Nun nehmen wir wieder mich und meinen Mann. Wir sind wieder gleich schwer. 

Ich: Unsportlich, etwas untersetzt, leicht kugelförmig, kurzer Oberkörper, relativ lange Beine im Verhältnis zu meiner geringen Körpergröße von 1,50. Reiterfahrung seit etwa 30 Jahren. Ich reite sicherlich verhältnismäßig schlecht, würde aber doch von mir behaupten, dass ich mein Pferd während des Reitens wenig störe und die Fähigkeit habe mich recht unauffällig auf seinem Rücken zu platzieren und seine Bewegungen auch weich mit zu gehen. 

Mein Mann: Sportlich, Muskulös, Top-Figur, langer und schwerer Oberkörper, im Verhältnis kürzere Beine, Körpergröße locker über 1,75. Keine Reiterfahrung, sitzt eher unbeholfen im Sattel und kann die Bewegungen des Pferdes nicht in den eigenen Körper aufnehmen und abfedern. 

Wer von beiden macht eine bessere Figur im Sattel? Ganz klar mein Mann. 

Wer von beiden ist für das Pferd leichter zu händeln und wahrscheinlich wesentlich „leichter“ zu tragen, obwohl die Biomasse identisch ist? 

Meine Wenigkeit. 

Dieses Pferd könnte bei meinem Mann schon nach 5 Minuten durch den Tragfähigkeits-Test fallen und für meinen Mann wäre es an der Zeit abzusteigen. 

Bei mir hält das Pferd aber vielleicht sogar doppelt so lange durch, weil ich mit meinem ausbalancierten Sitz nicht so viel Tragkraft abverlange. 

Du siehst: Es ist und bleibt absolut individuell, ist von vielen Faktoren abhängig und lässt sich nicht pauschalisieren. 

Und ich habe in diesem Artikel noch nicht mal den Faktor „Pferd und seine Befunde“ einbezogen, das kommt dann später… 

Es lässt sich abschließend sagen: 

Aussagen wie „Übergewichtige gehören nicht aufs Pferd“ entbehren sich jedem Sinn und Verstand. 

Und wann immer ihr das hört, helft diesen Menschen zu verstehen, dass dies nicht so einfach ist und verlinkt diesen Artikel.