Durchatmen für Lungenkranke Pferde - eine neue Sichtweise

Antje Wirtz • Mai 04, 2022

Wie Atemstrukturen durch Trageerschöpfung geschädigt werden

Wenn du ein Pferd mit einem Lungenproblem hast und das sehr hartnäckig ist, dann hast du wahrscheinlich schon viel probiert, um deinem Pferd zu helfen. Haltungsoptimierung, Inhalation, Medikamente, sehr viel Bewegung unterm Reiter und an der Longe usw. usw.


Nun möchte ich dir noch anderen Blickwinkel zeigen. Denn ich habe bei meinen Lungenpatienten häufig die selben körperlichen Baustellen gefunden.

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Folgende Auffälligkeiten lassen sich bei vielen Pferden mit einem Lungenproblem feststellen:

  • fest Schultern
  • blockierter Wiederrist
  • blockierter und / oder schmerzhafter Übergang von Hals- zu Brustwirbelsäule
  • feste Rippen / Rippenmuskulatur
  • Harte Lendenmuskulatur, insgesamt verspannte Oberlinie
  • häufig auch ein abgekipptes Becken mit leicht untergeschobener Hinterhand
  • ständig blockiertes ISG



Und dann ist ja noch die Frage, warum helfen die Medikamente nicht, warum kommen die Schleimlöser nicht durch, warum kommt man trotz bester Haltung nicht auf den grünen Zweig – oder ein Pferd entwickelt (wie meines) trotz bester Haltung und gutem Futter eine Lungenproblematik? Wo liegt da der Hase im Pfeffer?

Warum Schleimlöser wirkungslos scheinen

Wenn ein Pferd nicht gelernt hat sich und ggf auch seinen Reiter aktiv zu tragen, dann werden die Strukturen rund um den Brustkorb überlastet und dieser sackt ab. So die Kurzform.


Also stellen wir uns vor, ein Pferd kann sich und seinen Reiter nicht aktiv tragen, es kann also den Brustkorb nicht hochstemmen geschweige denn sich den Fliehkräften an der Longe entgegensetzen. Nun werden aber viele Pferde jede Menge im Kreis bewegt. Geht ja auch kaum anders. Wer wohnt schon in Montana? 


Die Flieh- und Schwerkraft wird durch hohes Tempo noch potentiert. Es ist also schon einiges was da auf den Brustkorb unseres Pferdes einwirkt. 


Das Pferd ist ja schließlich nicht dazu gemacht im Kreis zu rennen. Dafür ist sein natürlicher Bewegungsmechanismus also gar nicht ausgelegt. 

Also alles nicht so ganz der Plan von Mutter Natur, als sie das Pferd konstruiert hat, was wir uns so für sein Ausdauertraining überlegt haben.


Dann passiert etwas, was sehr sehr sehr sehr viele Probleme im Pferdekörper macht: Der Brustkorb sackt ab! Stück für Stück im Laufe der Zeit, ohne dass du die Chance hast, das groß zu bemerken, weil der Prozess so schleichend ist. 


Wenn ein Pferd einen abgesackten Brustkorb hat, dann kann du das zum Beispiel daran erkennen, dass der Widerrist schmerzhaft wird, dass sie empfindlich an Brust und Schultern sind, manche sind zum Beispiel zickig wenn man Ihnen eine Decke anziehen möchte. 


Oder es fällt dir plötzlich auf, dass das Brustbein etwas vorsteht und man fragt sich: „war das eigentlich schon immer so?"


Oder du erkennst eine Spannung im sogenannten CTÜ das ist der Übergang von Hals zu Brustwirbelsäule. Da ist ein dicker Muskelstrang – seitlich wo der Hals im Rumpf verschwindet. Den solltest du greifen und feste drücken können, ohne dass dein Pferd schmerzhaft reagiert. 


Vielleicht entdeckst du auch auf der Kruppe deines Pferdes plötzlich einen huckel, der vorher nicht da war.


Als diese Punkte kannst du auch mit meiner Checkliste prüfen, die du dir auf www.antjewirtz.de herunterladen kannst. 

Wie falsch beanspruchte Muskulatur die Lunge schädigt

Wenn nun der Brustkorb aufgrund einer Belastung in der das Pferd kompensieren muss, die Reise Richtung Boden antritt, müssen die Muskeln dort eine Haltefunktion übernehmen und sind verspannt und schmerzhaft. 


Denn - es gibt nur die Muskeln und Bänder die den Thorax an Ort und Stelle halten. Es gibt keinen stabilen Knochen der da noch mithelfen könnte.


So ist z.B. der Übergang von Hals zu Brustwirbelsäule oft schmerzhaft, wenn eine Trageschwäche heimlich im Spiel ist. Der sogenannte CTÜ ist damit einer der wichtigsten Bereiche im Pferd.


Die Krux an der Sache ist aber nicht nur die Schmerzhaftigkeit des CTÜ´s – obgleich man daran sehr gut erkennt, ob beim Pferd etwas im argen ist oder nicht. 


Sondern – durch den absackenden Brustkorb und die daher festhaltende Muskulatur, ist die Muskulatur ja nicht mehr so geschmeidig und dehnfähig – und das wiederum ist ganz blöde für die Atmung, weil der Brustkorb sich einfach nicht mehr so entspannt ausdehnen kann, wie er sollte. 


Also atmen die Pferde flach und mit einer höheren Frequenz. Teilweise unbemerkt über Jahre – du weißt ja schon, so ein Pferd ist ein Künstler der Maskerade und lässt sich sowas nicht anmerken. 

Atemprobleme durch verspannte Muskulatur

Wenn nun aber die Lunge nicht vernünftig arbeitet, und immer flach geatmet wird, weil der abgesackte Brustkorb eine vernünftige Ausdehnung verhindert --- ja dann kommt auf leisen Pfoten das Lungenproblem angeschlichen. Ganz heimlich und unbemerkt. 


Aber damit nicht genug – der abgesackte Brustkorb macht noch mehr Probleme. Der „Knick“ den die Luftröhre im Pferd macht wird ja mit dem Brustkorb zusammen auch nach Unten verlagert die Luftröhre liegt dadurch tiefer im Rumpf, als sie es normalerweise tun würde. Die Strukturen werden so mechanisch verengt was den Abfluss des Schleims erschwert- zusätzlich zu der Muskulatur, die alles festhält und damit verengt. Außerdem wird auch das Zwerchfell über die Maßen belastet, was natürlich auch weh tun kann. 

Die Pferde müssen zur Kompensation des abgesackten Burstkorbs auch die Lendenmuskulatur heranziehen, was die knallfeste Lenden-Muskulatur bei Pferden mit Husten erklärt. Dadurch kommt zusätzlich weniger Bewegung und Durchblutung in die Bronchienspitzen, was die Lage ebenfalls verschlechtert.

Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange....

Stell dir vor, der Brustkorb eines Pferdes kann sogar so weit absacken, dass der Thorax, also quasi die Rippen an den Ellenbogen reichen. Da das weh tut hilft sich das Pferd damit, die Ellenbogen nach außen zu drehen. 


Das erkennt man dann daran, dass das gesamte Bein schief aussieht und das Pferd ein oder zweibeinig eine nach Innen zeigende Zehenspitze hat – Übrigens, ein Bein, was aus einem solchen Grund schief ist läuft natürlich auch den Huf schief ab. Und der arme Schmied wir daran nichts ausrichten können, solange der Brustkorb nicht wieder angehoben wird. 


Soweit die Theorie – jetzt hast du gelernt wie schädlich ein abgesackter Brustkorb ist und dass du ihn zum Beispiel an einem schmerzhaften CTÜ erkennst.

Was hat all das mit dem Training von Lungenkranken Pferden zu tun? 

Alle Welt behauptet (zu Recht) dass die Lungenkranken Pferde viel Bewegung brauchen, und zwar gerne in höheren Gangarten, damit der Schleim abfließen, und die Lunge gut belüftet wird.


Und das ist auch richtig. Aaaaaber. 


Ich sehe hier das Problem, dass hierbei ein wichtiger Schritt übersprungen wird, nämlich mit gezielten therapeutischen Bewegungen den Brustkorb des Atemwegserkrankten Pferdes wieder anzuheben, damit es überhaupt zu einer nachhaltigen, Heilung kommen kann! 


Und ich verspreche dir: 


Das geht leider, leider nicht durch Reiten, Longe, Cavalettitraining, oder Laufen lassen im Round Pen


 – denn sind wir mal ehrlich – das machen wir ja schon oder? 


Und trotzdem haben wir immer noch das Problem, richtig? Trotzdem (oder gerade deswegen?) Ist der CTÜ schmerzhaft und der Brustkorb abgesackt und eingeengt. 


Also wenn du ein Pferd mit Equinem Asthma hast, dann musst du es viel bewegen. Aber, was wirklich wichtig ist, ist nicht das „viel“, sondern zunächst einmal das „wie“. 


Zuerst muss der Brustkorb wieder hoch und die Atemstrukturen inklusive der Rücken-Lenden-Binde muss gelockert sein. Erst dann kannst du Regeneration erwarten. 

Was du tun solltest, um deinem Pferd zu helfen:

Ich empfehle dir dein Pferd für eine kurze Zeit nicht zu reiten und nicht an der Longe zu arbeiten: Und zwar so lange nicht, bis dein Pferd gelernt hat seinen Brustkorb hoch zu stemmen. 


Solange der Brustkorb mit oder ohne Reiter noch nicht stabil vom Pferd oben gehalten werden kann – läuft das Pferd besonders auf Kreisbögen in Kompensation und fällt damit in alte Bewegungsmuster zurück. Atemstrukturen werden wieder falsch und schädlich belastet.


Das wäre sehr schade, da dies den Fortschritt der Erlangung der korrekten und tragfähigen Bewegung zurückwirft. 


Ich gebe noch Folgendes zu Bedenken: 


Wenn das Pferd über Tempo gearbeitet wird und das Pferd muss sich festhalten, da es noch nicht genug Selbsthaltung hat, um den Brustkorb zu heben, kommt das Pferd wieder in die Kompensation das heißt es verspannt in der Lende, der Schub der Hinterhand kann nicht entsprechend über die Wirbelkette zum Genick weiter gegeben werden, sondern der Schub geht direkt über die Vorhand in den Brustkorb, was zur Folge hat, dass der  CTÜ verspannt und wieder schmerzhaft wird, der Brustkorb kann nicht oben gehalten werden, die Schwerkraft siegt erneut und all die negativen Folgen die ich gerade aufgedröselt habe nehmen ihren Lauf. 



Wenn du deinem Pferd ermöglichen willst frei zu Atmen ohne durch Verspannungen eingeschränkte Muskulatur, dann dann schau dir mal den KRAFTT-Tragekurs an, der dir hilft, dein Pferd in Selbsthaltung zu bringen, damit ihr diesem Teufelskreis entfliehen könnte. Damit das Ausdauertraining dann auch endlich mal Früchte trägt und die Lunge wieder ordentlich ihren Job machen kann.



Dadurch kann sich dann auch die Lunge wieder vernünftig bewegen, was die physiologische Lungenfunktion – auch im Hinblick auf die Schleimabsonderung durch die Luftröhre fördert. Deswegen behandle ich die Reha Pferde hier vornehmlich mit „KRAFTT-Training“ und erst in zweiter Instanz mit Ausdauertraining.

Zusammenfassung:

  • Körperliche Probleme wie Trageschwäche können die Ursache für ein Lungenproblem sein, oder es verschärfen
  • Feste Lende, schmerzhafter CTÜ, häufige ISG-Blockaden können Warnzeichen sein
  • Ein abgesackter Thorax hat zieht einen langen Rattenschwanz hinter sich her (kein Guter)
  • Der KRAFTT-Tragekurs kann dir helfen, deinem Pferd den Brustkorb wieder zu öffnen, bevor ihr ins Ausdauertraining startet, damit die Atemstrukturen wirklich frei werden und rehabilitieren können.
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